Bändigung der Parteienmacht – Etappenziel einer Initiative Parteien-Stop

Die herkömmliche Demokratie ist leistungsschwach, weil sie eine Parteiendemokratie ist. Keine wesentlichen politischen Entscheidungen werden ohne Einfluss der Parteien getroffen. Sie sind das Nadelöhr demokratischer Politik. Sie lassen nur dünn Gesponnenes passieren, nur kleine Lösungen statt große und auch diese nur langsam statt rasch. Dies gilt für alle Politikbereiche. Wo immer Kompetenzmängel der Politik zu beklagen sind, ist dies direkt oder indirekt auch dem Parteienwesen anzulasten.

Die Politik von den Parteien zu befreien ist natürlich alles andere als einfach. Möglich würde es im Rahmen neokratischer Staatsreformen, und diese sind noch ein fernes Ziel. Ein erster großer Schritt auf diesem Weg wäre es aber schon, die Dramatik des Parteienproblems ins Licht der Öffentlichkeit zu zerren. Doch selbst dies ist ein politischer Kraftakt. Die Parteien selbst und ihre Sympathisanten in staatlichen und nichtstaatlichen Institutionen und insbesondere in den Medien setzen alles daran, die Parteien im öffentlichen Diskurs einigermaßen glimpflich davonkommen zu lassen. Parteienschelte findet immer noch eher im Stillen statt als in der veröffentlichten Meinung.

Dies muss sich ändern. Eine Initiative Parteien-Stop, wie sie hier angeregt wird, kann dazu beitragen, dass die oft noch verschämte Parteienskepsis der Bürger öffentlich wird. Parteienkritische Bürger sollen sich nicht mehr als unbedeutende Minderheit fühlen. Sie sollen sich un-verschämt zu ihrer Parteienkritik bekennen, und sie sollen den Mut finden, sich aktiv gegen die Parteiendominanz zu engagieren. Hierfür bietet sich eine konkrete politische Forderung an, die bei der Parteienentmachtung eine zentrale Rolle spielt: die Einführung einer förmlichen Proteststimme ins Wahlgesetz (Näheres hierzu unter Forderung: Proteststimme. Zu Details s. auch Mobilisierung).

Auch wenn die Parteien sich dieser Forderung nach Kräften widersetzen:
Dass sie dies im Eigeninteresse tun und nicht etwa im Interesse der Bürger, wird fast jeder durchschauen. Die Parteien demaskieren sich damit als eigennützige Fortschrittsbremser. Damit aber hätte die Forderung Proteststimme ins Wahlgesetz schon ein wichtiges Ziel erreicht. Durch die Selbstentblößung der Parteien würden die Bürger noch parteienkritischer, und sie würden die Forderung Proteststimme ins Wahlgesetz entsprechend engagierter vertreten. Ein Teufelskreis für die Parteien. Irgenwann werden sie daher den Wählern die Proteststimme nicht mehr vorenthalten können.

Warum "Parteien-Stop" jetzt?

In Demokratien werden viele politische Probleme schlicht ignoriert, die meisten werden dilettantisch behandelt, andere werden unabsehbar verschleppt. Dies gilt vor allem für längerfristige Probleme, die den Zeithorizont von Legislaturperioden überschreiten. Stichworte hierzu: Umwelt, Klima, Bildung, Frieden, gesellschaftlicher Zusammenhalt, Demographie, Staatsschulden, Währung, Finanzmärkte, Europäische Integration – unter anderem. Immer mehr Bürger ahnen dies – mit der bekannten Folge notorischer Politikmüdigkeit und -verdrossenheit. Empörung wächst daraus aber noch nicht. Empört werden die Bürger erst dann sein, wenn aus der Ahnung Gewissheit wird. Wenn sie nicht mehr nur ahnen, sondern ganz sicher sind, dass eine viel bessere Politik möglich wäre.

„Gebt uns eure Stimmen, und wir machen für euch die Politik und lenken für euch den Staat.“ Dies ist sinngemäß die Aufforderung, mit der Parteien sich seit jeher an die Bürger demokratischer Staaten wenden. Hieraus spricht ein Selbstverständnis, das noch ganz in der Tradition monarchistischer und autokratischer Herrschaftsverhältnisse steht. In der Demokratie wird zwar die Staatsführung gewählt, aber die Gewählten, die Parteien und Parteienvertreter also, treten mit kaum geringerem Machtanspruch und kaum geringerer Wissensanmaßung auf als Autokraten und Monarchen. Die Überheblichkeit dieser Anmaßungen wird von immer mehr Bürgern durchschaut werden. Je rascher deren Zahl wächst, desto nachhaltiger wird das Engagement gegen die Parteiendominanz, für die Einführung der Proteststimme und damit für neokratische Reformen.

Die Zeit hierfür reift. Dass Politik viel besser, also viel problembewusster, viel zielstrebiger, viel kompetenter, viel kreativer und damit viel erfolgreicher sein kann, ist nicht mehr nur reine Theorie. Der Weg dorthin ist langwierig, aber die ersten Schritte liegen auf der Hand. Eine schrittweise Entmachtung der Parteien ist der Schlüssel.

Lange galten Parteien als unentbehrlich für das Funktionieren von Demokratie. Mit Parteien, so das noch immer verbreitete Vorurteil, sei zwar nichts perfekt, aber ohne Parteien wäre alles noch schlimmer. Ohne Parteien seien die Bürger politisch orientierungslos und sei die Besetzung politischer Mandate und Ämter nicht auf geordnete Weise möglich. Dies war in der Frühzeit der Demokratie sicher nicht anders vorstellbar, aber in der jetzigen, d.h. in der Spätphase der Demokratie ist dies anders. Die schrittweise Entmachtung der Parteien führt nicht ins politische Chaos, sondern auf einen erkennbar geordneten Reformweg. Die Schaffung einer Systemoffenen Verfassung und eines Permanenten Verfassungsrates bzw. -kongresses wäre auf diesem Weg das zweite große Etappenziel. Näheres hierzu auf dieser Website unter Was danach kommt und allgemein auf www.neopolis.info.)